Neue Schöpfung? – Aitiologische Rezeptionen der Genesiserzählung in frühchristlichen Diskursen über Kosmos, Mensch und Geschlecht
Teilprojekt 3
Prof. Dr. Christine Gerber
Evangelische Theologie, Neues Testament, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Cilliers Breytenbach
Evangelische Theologie, Neues Testament, Humboldt-Universität zu Berlin
Marie-Christin Barleben
Theologische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Leila Freyer
Studentische Beschäftigte
Die als Anfang der Bibel überlieferte Erzählung von der Erschaffung der Welt und des Menschen durch Gott und dem Verlust des Paradieses (Gen 1-3) hat für Judentum und Christentum fundamentale Bedeutung. Der Text und die damit fixierte Vorstellung prägt das jüdisch-christliche Denken seit alters wie eine Aitiologie, die als ontologische Wahrheit gilt: Die Weltwirklichkeit ist so, weil Gott sie so gemacht hat, wie dort beschrieben. Für das Christentum ist genauer Gen 1-3 in der interpretierenden Übertragung ins Griechische – unbenommen faktischer Inkohärenzen – der Grundtext. Anhand dieses führt die frühchristliche Theologie die „Arbeit am Anfang“ fort in der Überzeugung, dass Gott in Christus den Anfang neu gesetzt hat.
Das Projekt untersucht diese Rezeption der Schöpfungserzählung von Gen 1-3LXX als Aitiologie in einer doppelten Hinsicht: Ausgehend von der Rekonstruktion von Gen 1-3LXX als Ausgangstext (Forschungsbasis) werden frühchristliche Rezeptionen als Aitiologie analysiert mit Fokus auf die christologische Relektüre der Schöpfungserzählung (Fokusbereich I) und auf ihre Heranziehung im Diskurs über die in Christus geltende Geschlechterordnung, der im Lichte moderner Genderdiskurse die Pragmatik aitiologischer Diskurse offenlegt (Fokusbereich II). Die Vielfalt der Rezeptionen legt die Ambiguitäten und Widersprüche im Text von Gen 1-3LXX selbst, ihr diskursives Potential in Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart mit Relevanz für die Zukunft und die epistemisch-wirklichkeitssetzende Kraft von Aitiologien offen.